Alltagssysteme

„Im Grunde habe ich nichts verpasst, was mich schon vorher zu Tode langweilte. (…) Momentan geht noch immer alles ziemlich langsam, ich fahre die Alltagssysteme in Zeitlupe hoch und konzentriere mich auf das Allernaheliegendste.“

Tom de Toys, UUU 16.3.2024
©POEMiE™ @friedhofsfahrer.de

Für den Band 2 der Reihe „UNIFORM UND UNIVERSUM“

Tom de Toys, UUU 16.3.2024
©POEMiE™ @friedhofsfahrer.de

SCHÜLER & SCHARLATANE

Vor der OP wollte ich zu viele Projekte zuende bringen, um mich dem neuen noch besser ohne Altlasten voll und ganz hinzugeben, aber im Endeffekt musste ich alles unter Narkose loslassen, obwohl es noch nicht für die Nachwelt perfekt aufbereitet war. Jetzt knüpfe ich allmählich wieder an all die unerledigten Ideen an und mache quasi nahtlos dort weiter, wo ich das alte Leben verließ. Gibt es einen Unterschied? Bislang stolper ich über kein zusätzliches Problem, das durch die zeitliche Lücke entstanden wäre, eher im Gegenteil: es ist beruhigend und auch irgendwie gruselig, dass meine Abwesenheit nicht dazu führte, dass sich die ganze Situation in meinem sozialen Umfeld geändert hätte. Stattdessen sehe ich nach und nach all die fremden Menschen wieder, die zur Kulisse meiner Umgebung gehören, wie sie ihre immergleichen Bahnen ziehen, als hätte mein unauffälliges Verschwinden nur einen einzigen Tag gedauert. Im Grunde habe ich nichts verpasst, was mich schon vorher zu Tode langweilte. Den Schnee hätte ich gerne auf dem Nordfriedhof erlebt, diese weiße Stille auf den Gräbern und die andächtige Reinheit auf der Wiese vor der Kapelle. Aber dafür kam ich immerhin pünktlich zur Magnolienblüte zurück und konnte frühmorgens den Grünarbeitern zuschauen, wie sie die Frühlingspflanzung in die Wege leiten. Jetzt blühen knatschgelbe und violette Stiefmütterchen an den Rändern der Kapellenwiese, als hätte der französische Streifenkünstler Daniel Buren einen Auftrag vom Gartenamt erhalten, die Anfahrtswege perspektivisch zu illuminieren. Drei Tage Regen zur Begrüßung und diese durchnässten Pantoffeln, die ich jetzt über zwei Monate als einziges Schuhwerk tragen konnte, weil ich noch immer keine Schnürsenkel am operierten Bein binden kann. Aber was wenigstens wieder funktioniert, sind die Reißverschlüsse der schicken Schnabelschuhe: der Unterschenkel lässt sich bereits so weit anwinkeln, dass ich sie relativ leicht im Stehen an der Tür beim Verlassen der Wohnung zuziehen kann, also in einem Rutsch der Bewegungsabläufe, die morgens früh klappen müssen, ohne schon nassgeschwitzt in der Bahn anzukommen. Und so sieht der Chauffeur mittlerweile schon wieder ganz ordentlich aus, um mit den Schwarzarbeitern in ihren maßgeschneiderten Uniformen einigermaßen mithalten zu können. In dieser ersten Arbeitswoche ab dem 20.Tag nach der Rehaklinik, dem 47.Arbeitstag seit meiner Abwesenheit und dem 63.Tag ab der Operation (am 9.Januar) traf ich bereits viele Menschen wieder, die sich über meine Rückkehr freuten und nun wieder ins Gesamtbild meiner Lebenszeit gehören. Das unerwartete Sahnehäubchen auf diese erste Woche im Dienst war allerdings eine Begegnung am Freitagnachmittag kurz vor Feierabend, mit der ich nicht im Geringsten gerechnet hatte: die Physiotherapeutin aus dem Krankenhaus, die mich nach der OP eine Woche lang mit Lymphdrainagen behandelt hatte, suchte den Weg zu einem Grab und ich konnte sie letztlich erfolgreich dorthin chauffieren. Sie war es, die ich im Patientenbericht (unter http://www.ARBEITSDICHTE.de) als einzige ernstzunehmende Fachkraft im KH verewigte, als ich das unprofessionelle Chaos auf der Station beschrieb. Nie wieder OP bei einem Belegarzt! Ein Krankenhaus, in dem man von Scharlatanen und Schülern betreut wird, ist kein Beweis für den Pflegenotstand oder Fachkräftemangel, sondern zeugt davon, dass eine ganze Station nicht auf das Krankheitsbild seiner Hauptpatienten eingespielt ist, sondern jeder nur das Allernötigste tut, um zu vertuschen, dass eigentlich gar nichts korrekt läuft, was in anderen Krankenhäusern ganz selbstverständlich dazu gehört, wenn der Operateur selber die Station leitet. Aber was soll ich mich schon wieder aufregen, es ist passiert und ich habe es mit meiner eigenen Art von Gelassenheit überstanden, das Beste draus gemacht und eine ganze Menge über das gesamte System dazu gelernt. Und ich habe in der Reha mehrere Tipps von Patienten erhalten, die ebenfalls „Hüfte hatten“, in welchen Krankenhäusern die Zustände bis ins Detail auf die Sache korrekt eingestellt sind. Denn in einigen Jahren könnte es sehr gut sein, dass die linke Hüfte auch ausgetauscht werden muss. Die Arthrose war bereits auf dem MRT im Oktober auch links zu sehen und aufgrund der Dysplasie lebe ich ohnehin schon seit Kindheitstagen mit Symptomen, die keiner braucht. Beim Recherchieren entdecke ich, dass Band 1 der Reihe „UNIFORM UND UNIVERSUM“ vor exakt einem Jahr im März 2023 erschien, damals noch als Fahrgastbegleiter in der Rheinbahn unterwegs. Diese extrem große Zeitspanne bis zum Erscheinen von Band 2 im kommenden April 2024 war so nicht wirklich geplant, aber die reine Textdatei ist zumindest schon gut sortiert und als Layout brauche ich nur die ODT-Datei von Band 1 als Vorlage zu übernehmen. Passende Fotos sind auch zur Genüge im Laufe des Jahres angesammelt, im Grunde könnte ich relativ schnell produzieren, aber momentan geht noch immer alles ziemlich langsam, ich fahre die Alltagssysteme in Zeitlupe hoch und konzentriere mich auf das Allernaheliegendste…

Tom de Toys: „UNIFORM UND UNIVERSUM – Über spirituelle Spontaneität beim Menscheln“, Tagebuch eines Fahrgastbegleiters, Band 1, BoD-Verlag 6.3.2023 (ebook seit 24.3.23), 1.Auflage, 11€ (36 S., 12 farbige Illustr., Format (h/b/t): 22 x 17 x 0.4 cm)

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https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1068253284

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AKTUELL:
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PATIENTENBERICHT

Eine Antwort zu „Alltagssysteme”.

  1. […] Erster Tagebucheintrag nach der Reha für den Band 2 der Reihe „UNIFORM UND UNIVERSUM„ […]

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